5.7.2012 Der heilige Hildebrand

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Ein Dokumentarfilm des Schweizer Fernsehens fasst zusammen, was bisher von den Medien unterdrückt wurde: Philipp Hildebrand hat der Nationalbank einen Scherbenhaufen hinterlassen, hat spekuliert und gelogen und musste vom Bankrat zum Rücktritt gezwungen werden. Viele Fragen sind aber immer noch offen und werden mit Hilfe einer Stillschweigeklausel, welche Hildebrand seinen Arbeitgebern abtrotzte, unter dem Teppich gehalten. Die Schweizerzeit fasst Aussagen aus dem Film zusammen.

Im Januar 2010 wird Philip Hildebrand Präsident der Nationalbank der Schweiz. Seine Amtszeit beginnt laut Experten mit einem Sündenfall: Hildebrand kündigt an, die expansive Geldpolitik nicht mehr weiter zu führen. Der Eurokurs fällt sofort unter 1.50 und sollte sich nie wieder erholen. Hildebrand muss massiv Euro kaufen, der Devisenbestand schnellt in die Höhe – aber der Erfolg bleibt aus. Hildebrand habe zu früh und panikartig reagiert, einen Zick-Zack-Kurs geführt, sagen die Experten.

Spekulant Hildebrand

15.8.2011: Hildebrand verabredet sich mit seinem privaten Kundenberater Felix S. Er gibt ihm den Auftrag, Nestle und Roche-Aktien für rund 50‘000 Fr. zu kaufen. Das Urteil der Experten ist einhellig: Prof. Peter Bernholz, die Autorität in Sachen Notenbanken, sagt: „Das ist nicht zu verantworten.“ Drei Wochen später wird der Kurs steigen, eine Folge seines Mindestkursentscheides. Hildebrand kann es nicht lassen, will nun auch Dollar kaufen. Seine Frau gibt daraufhin den Auftrag, für 400‘000.- Fr. Dollar zu beschaffen. Am nächsten Tag findet Hildebrand auf seinem Computer die Bestätigung zum Dollarkauf. Sein Bankberater schreibt, die Transaktion müsse aber von Hildebrand offiziell bestätigt werden. Hildebrand bekommt kalte Füsse: Um 07.36 Uhr mailt er seinem Kundenberater, er habe ihn dafür nicht autorisiert. Er werde die Transaktionen dem Controlling-Chef des SNB, Hans Kuhn, vorlegen müssen. Der Kundenberater widerspricht um 08.00 Uhr: Er, Hildebrand, habe den Kauf am Vortag gutgeheissen. Dieses Mail, das ihn zum Rücktritt zwingen wird, leitet Hildebrand nicht an Hans Kuhn weiter. Später wird er erklären, er habe das Mail vergessen…. Kuhn, der Controlling-Chef der SNB, schreibt Hildebrand zurück: „Keine Wiederholung!“ Wenige Wochen später handelt Hildebrand jedoch erneut mit Dollar, diesmal informiert er Kuhn nicht mehr…

Es sickert durch

Die Spekulationen Hildebrands sind bei seiner Bank Sarasin Kaffeegespräch. Kontoauszüge gelangen zu Christoph Blocher. Dieser trifft Calmy-Rey dreimal. Calmy Rey fragt nach konkreten Beweisen. Blocher zeigt Kopien der Bankauszüge. Am 15.12. wird eine Untersuchung wird eingeleitet. Eine Woche später, am 23.12., liegt ein Untersuchungsbericht über die Spekulationen vor. Und am Abend informiert die Nationalbank mit einer rätselhaften Pressemitteilung: Es seien keine unzulässigen Transaktionen vorgenommen worden, entsprechende Gerüchte seien haltlos. Verantwortlich für den verwirrlichen Text ist Hansueli Raggenbass, Bankratspräsident. Der Mit dem Text der Pressemitteilung habe man Blocher die Gelegenheit zum „geordneten Rückzug“ geben wollen, so die merkwürdige Erklärung später. Irgendjemand informiert nun die Sonntagszeitung über Blocher. Damit soll versucht werden, von Hildebrand abzulenken. Daraufhin wird die Weltwoche informiert. Am 4.1.2012 bringt die Weltwoche ihre berühmte Titelgeschichte. Es wird klar, dass die Hildebrands mit den Transaktionen, deren Wert sie selber bestimmen konnten, innert sechs Wochen einen Gewinn von 75‘000.- Fr. gemacht hatten.

Hildebrand geht in die Offensive

Hildebrand geht nun in die Offensive, kündigt eine Pressekonferenz an und veröffentlicht den Prüfbericht der PWC. Detailliert kann man hier nachlesen, weshalb Hildebrand von den Transaktionen nichts gewusst haben soll. Das belastende Mail hingegen wird nach wie vor nicht veröffentlicht. Der Kundenberater Felix S. telefoniert Hildebrand am späten Abend. Er weist ihn auf seine E-Mail-Antwort von 08.00 Uhr hin. Hildebrand erwidert, er könne sich nicht daran erinnern. Am nächsten Morgen wird das Mail ausgedruckt auf Hildebrands Pult liegen. Am Donnerstag, 5.1.2012, 16.00 Uhr folgt die Pressekonferenz auf die die Schweiz wartet. Etwa eine halbe Stunde vor der Medienkonferenz wurde Raggenbass informiert, dass offenbar ein neues E-Mail aufgetaucht sei, das Hildebrand belaste. Hildebrand weiss, dass sich seine Position, er habe vom E-Mail nichts gewusst, nicht mehr wird halten lassen. Trotzdem erwähnt er das Mail in der Pressekonferenz nicht. Hildebrand schiebt dagegen die Schuld auf seine Frau. Doch am nächsten Tag ca. 12.00 Uhr ist klar, Hildebrand hat das E-Mail erhalten. Computerspezialisten der Nationalbank haben das E-Mail in der Mailbox Hildebrands gefunden.

Glaubwürdigkeit Hildebrands zerstört

Daraufhin folgt eine Krisensitzung des Bankrats. Die Bankräte sind wie vor den Kopf gestossen. Im Dezember haben sie Hildebrand geglaubt, als er sagte, er habe nichts vom Dollarkauf gewusst. Jetzt erfahren sie, dass es vor dem Kauf sogar ein ausführliches Gespräch mit Hildebrands Kundenberater gab. Sie sehen nur noch einen Ausweg: Rücktritt. Raggenbass trifft sich nach der Sitzung mit Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Er informiert sie über die neuen Dokumente, denn sie hat in Kürze einen Auftritt in der Arena. Dennoch stellt sich Widmer-Schlumpf in der Arena hinter Hildebrand. Die neu aufgetauchten Dokumente erwähnt sie nicht.

Widmer-Schlumpf stützt Hildebrand wieder

Niemand ahnt, dass an diesem Abend eine weitere Krisensitzung des Bankrates stattfindet. Raggenbass und Vize Studer und orientieren über das Ergebnis vom Vortag. Sie schlagen den Rücktritt vor, zeigen das E-Mail und einen Kundenrapport über das Gespräch zwischen dem Bankberater und Hildebrand. Hildebrand kämpft um seinen Posten, verweist auf seine internationalen Kontakte, vergeblich. Hildebrand muss einsehen, dass er zurücktreten muss. Es wird diskutiert, ob das E-Mail und der Kundenrapport öffentlich gemacht werden soll. Hildebrand wehrt sich. Der Bankrat setzt sich aber durch. Am Abend rufen Raggenbass und Hildebrand gemeinsam die Bundespräsidentin an. Sie teilen ihr den Rücktrittsentscheid mit. Man einigt sich, montags die Öffentlichkeit zu informieren. Am Sonntagmorgen ist alles anders. Hildebrand hat seine Zusage zurückgezogen. Dies nach einer Telefonkonferenz des Bundesrates, initiiert von Widmer-Schlumpf, in dem Hildebrand der Rücken gestärkt wird. Am Sonntagabend findet nochmals eine Krisensitzung des Bankrats mit Hildebrand statt. Was an dieser Krisensitzung am Abend passiert, darüber will niemand sprechen. Zum Schutz von Philip Hildebrand, betont ein Teilnehmer dieser Sitzung. Hildebrand und sein Anwalt bleiben hart, das Ganze sei eine politische Kampagne der SVP. Ein Rücktritt sei ausgeschlossen.

Der Bankrat droht mit Kollektivrücktritt

Am Montagmorgen um 08.15 Uhr spricht Raggenbass, begleitet von Vize Jordan bei der Bundespräsidentin vor. Raggenbass teilt der Bundespräsidentin mit, entweder gehe Hildebrand – oder der elfköpfige Bankrat trete geschlossen zurück. Jetzt gibt Hildebrand nach. Am 9. Januar 2012 tritt Hildebrand zurück. Hildebrands Anwalt verlangt vom Bankrat, keine Details über die Hintergründe bekannt zu geben. Der Bankrat unterzeichnet eine Stillschweigeklausel. Philip Hildebrand stellt danach seinen Rücktritt als freiwilligen, selbst getroffenen Entscheid dar.

„Philip Hildebrand, gestolpert über sich selbst, zum Rücktritt gezwungen durch den Bankrat.“  Das ist das Fazit des Films. Dem bleibt nur hinzuzufügen: Was hat Hildebrand noch zu verbergen, dass zu seinem Schutz eine Stillschweigeklausel abgeschlossen werden musste? Wieso diese Geheimniskrämerei? Ist es in einem so gravierenden Fall nicht unumgänglich, dass zum Schutz der Institutionen endlich transparent gemacht wird, was sonst noch geschah?

Hermann Lei, Frauenfeld

Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann: „Ich finde das sehr gravierend (…). Das ist kein Kavaliersdelikt, das ist eine der gröbsten Verletzungen, welcher ein Notenbankpräsident machen kann.“

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1 Antwort zu 5.7.2012 Der heilige Hildebrand

  1. Urs sagt:

    Kashya Hildebrand wusste ganz genau, was sie tat! Sie war jahrelang für US-Finanz-Fonds tätig und kannte die einschlägigen Regelungen und Vorschriften nur zugut.

    Ich war selbst jahrelang im US-Handel tätig und haben Konten bei US-Brokern für ausländische Kunden betreut.

    Daher weiss ich, dass jedes Standard-Kontoeröffnungsformular JEDER US-Bank und JEDES US-Brokers die vorfomulierte Frage enthält, ob man eine „politisch exponierte Person“ ist.

    Solche Personen, zu denen Philipp Hildebrand ja zweifellos zu zählen ist unterliegen strengeren Vorschriften, siehe z. B. hier: http://www.us-broker.ch/?Exponierte_Personen

    Dass Kashya Hildebrand im Anschluss an die Tatsachen, die ans Tageslicht gekommen waren, die ahnungslose Galeristin und unschuldige Ehefrau spielt, ist unglaublich.

    Noch unglaublicher ist nur noch die journalistische Fehlleistung der Schweizer Medien, die jedes Fitzelchen an angeblicher Entlastung eifrigst „recherchiert“ und hochmoralisch aufbereitet (der böse Blocher ist schuld, dass Hildebrand spekuliert und natürlich Hermann Lei und überhaupt die SVP ist der Täter…=

    Die Tatsache, dass Kashya Hildebrand als ehemalige Mitarbeiterin von US-Broker-Firmen genau wusste, dass die Transaktionen so unzulässig waren, sprich illegal waren, die steht in keinem einzigen Beitrag eines Journalisten der Schweiz. Nicht einmal in der Weltwoche!

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