27.2.15 Wahrheit oder Widmer-Schlumpf?

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Hermann Lei SZ04S10

 

Bundesrätin im Test

 „Das ist für mich keine Option“, versicherte Bundesräten Widmer-Schlumpf (EWS) einen Tag vor der Bundesratswahl ihrem Parteipräsidenten Ueli Maurer am Telefon, als dieser sie fragte, ob sie eine Wahl annehmen würde. Wahrheit: Andrea Hämmerle erklärte, er habe EWS nicht zur Kandidatur überreden müssen, sie habe sich selber entschlossen, dies zu tun. Und: Kaum hatte Widmer-Schlumpf aufgehängt, machte sie offenbar bei der SP Rückmeldung (SP-Nationalrätin Wyss dazu lächelnd: „Das kann sein, dass ich das gewusst habe.“).

„Du musst keine Angst haben, ich würde das Amt nicht annehmen.“ EWS am Wahltag, 12.12.2007, zu Ueli Maurer. Wahrheit: Luc Recordorn sagte am Wahltag: „Wir haben nun die Sicherheit, dass Eveline Widmer-Schlumpf die Wahl annehmen würde.“ Andrea Hämmerle: „Ich habe sie nicht überreden müssen (…) Sie hat sich selbst entschlossen, es zu versuchen.“ Christophe Darbellay, Präsident der CVP: „Ich hatte eine solide Garantie, dass sie annehmen wird.“

„Das erste Mal erfuhr ich am Dienstagabend per SMS, dass ich als Kandidatin ernsthaft im Spiel bin“, sagte EWS zur Frage, wie viele Kontakte sie mit der CVP und der SP vor ihrer Bundesratswahl 2007 gehabt habe, in die Fernsehkameras. Von längeren Gesprächen mit der SP sagte sie nichts. Wahrheit: Schon vier Tage vor der Wahl hatte EWS ein gut zwanzigminütiges Gespräch mit SP-Nationalrat Hämmerle. Insgesamt sind vier Kontakte dokumentiert.

„Das Gespräch vom Samstag war für mich ohne Bedeutung, darum habe ich es nicht explizit erwähnt“, begründete EWS ihre Falschaussagen vor den TV-Kameras nach dem Auffliegen. Wahrheit: «Es war ein ernsthaftes Gespräch und keineswegs ein oberflächliches Geplauder», schreibt Hämmerle.

„Das heisst aber nicht, dass ich mit der SP zusammengearbeitet habe“, erklärte EWS die verheimlichte, enge Zusammenarbeit mit der SP. Wahrheit: „Wir haben mit ihr ausgemacht“, sagte Ursula Wyss, Fraktionschefin der SP, „dass wir sie auf dem Laufenden halten, was in Bundesbern passiert. Das war die Abmachung. Dass sie von uns direkt erfährt, wie es sich entwickelt, wie die Mehrheiten sich entwickeln. Das haben wir regelmässig [getan]. Sobald sich etwas verändert hat oder konkreter wurde, ist sie darüber informiert worden.“

„Eine Herausgabe der Kundendaten bis Dienstag wäre Anwendung von Notrecht, und wir wenden hier kein Notrecht an“, sagte Widmer-Schlumpf in der „Tagesschau“  des Schweizer Fernsehens (6.9.11). Wahrheit: Die Credit Suisse hatte mit dem Wissen des Bundesrates den USA bereits statistische Daten übermittelt – Daten, die aufzeigen, in welchem Bereich Amtshilfegesuche zu erwarten wären.

„Wir haben keinen Anlass um zu sagen, mit Herrn Hildebrand kann man jetzt nicht mehr zusammenarbeiten“, verteidigte EWS in der Arena vom 6.11.12 die Inte­grität des früheren Nationalbank-Präsidenten Philipp Hildebrand. Wahrheit: EWS lag das E-Mail, das Hildebrands Rücktritt erzwang, damals bereits vor, wie sie später zugeben musste.

„Besonders wichtig wird sein, dass wir uns nicht gegenseitig in den Rücken fallen“, beschied EWS am 1. August 2012 den verdutzten Fernsehzuschauern. Wahrheit: „Widmer-Schlumpf ist 2001 als Bündner Regierungspräsidentin ­ihrem `Kollegen` Peter Aliesch in den Rücken gefallen. Im Dezember 2007 ist sie Parteipräsident Ueli Maurer, Bundesrat Christoph Blocher und den einstimmigen Delegierten ihrer damaligen SVP in den Rücken gefallen. Im Justiz- und dann im Finanzdepartement ist die Felsbergerin seit 2008 ungezählten Chefbeamten in den Rücken gefallen. Und mit der von ihr unterstützten Datenherausgabe an die USA ist sie ein paar tausend Bankangestellten in den Rücken gefallen.“ (Zitat von Chr. Mörgeli)

„Die USA haben klar zum Ausdruck gebracht, dass dieses Programm jetzt gilt, bis wir im Parlament diesen Entscheid haben – das Programm gilt nicht unbeschränkt“, versuchte Widmer-Schlumpf im Juni 2013 ihre „Lex USA“ am ordentlichen Gesetzgebungsverfahren vorbeizuschleusen und erweckte den Anschein, ansonsten würde die USA am 1. Juli kurzen Prozess machen: Die Beratung sei deshalb nicht im ordentlichen Verfahren im September oder im November möglich, „schlicht und einfach, weil die Amerikaner dann sagen: Das Programm gilt nicht mehr.“ Wahrheit: „Es gibt von amerikanischer Seite keinen Termin für die Aufschaltung des Steuerdeals“, sagte da Mario Tuor, der Sprecher des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen.

„Für den Fall einer Ablehnung gibt es keinen Plan B.“ Sinngemäss mit diesen Worten versuchte EWS die umstrittene „Lex USA“ durch das Parlament zu boxen. Wahrheit: Kaum zwei Wochen nach der Ablehnung durch das Parlament lag der „Plan B“ auf dem Tisch.

 „Das Gafi-Länderexamen findet Ende dieses Jahres statt und die Vorlage muss daher bis zur Herbstsession zu Ende beraten werden“, hatte EWS in der Frühjahrssession 2014 sinngemäss dem Parlament erklärt und es so überrumpeln können. Wahrheit: Das Länderexamen findet erst im Frühjahr 2016 statt.

 „Steuerhinterziehung muss als Vortat ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden. Sonst droht der Schweiz die schwarze Liste von Gafi“, erzählte EWS sinngemäss dem Parlament und die Kommissionssprecher plapperten es ihr nach. Wahrheit: In der Gafi-Norm findet sich keine Regel, die die Einführung einer solchen Vortat verlangt. So stand es sogar in der Botschaft.

„Sollte sich der Nationalrat durchsetzen, ist der Schweiz der Platz auf einer schwarzen Liste sicher.“ Mit dieser Drohung wollte EWS Mitte 2014 offenbar ihre Geldwäschereivorlage durchbringen. Wahrheit: Der Zürcher Anwalt Alexander Rabian, der den Verband Schweizerischer Vermögensverwalter (VSV) berät, stellte klar: „Eine solche schwarze Liste gibt es gar nicht.“

 „Sie können schauen, wie das Wirtschaftswachstum in den fünf Jahren war, und Sie können auch schauen, wie die Entwicklung des Bundeshaushaltes war.“ Mit diesen Worten lobte Widmer-Schlumpf Ende 2014  ihre Ausgabenpolitik. Die Ausgaben des Bundes seien seit ihrer Amtsführung nicht schneller gewachsen als diejenigen der Schweizer Volkswirtschaft. Wahrheit: Das Ausgabenwachstum des Bundes zwischen 2008 (Amtsantritt Widmer-Schlumpf) und 2013 lag bei 12,6 Prozent. Das Bruttoinlandprodukt wuchs lediglich um 7,9 Prozent.

Hermann Lei, Frauenfeld

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1 Antwort zu 27.2.15 Wahrheit oder Widmer-Schlumpf?

  1. Coray Gabi sagt:

    Grüezi Herr Lei, MUT FÜR GABI CORAY
    ich ziehe meine Bundesratskandidatur durch. Die Bestätigung liegt mir seit 2013 vor.
    Wenn die Demokratie so sehr betont wurde am vergangenen Wochenende, dann soll diese Demokratie ausgelebt und angewendet werden. Die SVP kann mir IHRE Stimme geben. Ich bin AUNS Mitglied. Mein Vertrauen in die etablierten Parteien ist nicht vorhanden. Viele Staatsverdrossene, über 50% Prozent haben auch Vertrauensverluste. Meinen Weg habe ich eingeschlagen und den gehe ich weiter und ziehe die Kandidatur durch.
    Genug von diesem „Personalzirkus in den festgefahrenen Strukturen der Parteien und deren Zwängen. Sie Herr Lei haben selber erfahren, wie ihre Partei Leute sie hängen liessen.
    das Volk will eine Veränderung auch im Bundesrat. Auf der ganzen Welt kandidieren neue Personen und werden gewählt. In der Schweiz gibt es viele Parteiunabhängige in Ämtern. Beispiel Märstetten / TG und es funktioniert! Viel Erfolg und beste Grüsse
    Bundesratskandidatin Gabi Coray

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