2.10.15 Kanton treibt Prozesskosten ein (TZ vom 1.10.15)

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Office Lens 20151001-164058Der Kanton überprüft jetzt systematisch die finanziellen Verhältnisse all jener, für die er einmal die Gerichtskosten übernommen hat. Wer wieder zu Geld kommt, muss sie zurückzahlen. Die Rückerstattungen übertreffen die Erwartungen.

CHRISTOF WIDMER

Wer einen Prozess führt, ihn sich aber nicht leisten kann, dem zahlt der Kanton die Kosten. Die Zahlung ist aber nur als Vorschuss gedacht. Der Unterstützte muss ihn zurückzahlen, sobald er wieder zu Geld kommt. Damit es wirklich nur ein Vorschuss ist und keine Zahlung auf Nimmerwiedersehen, hat der Kanton seine Rückforderung systematisiert. Auf einen Vorstoss aus dem Grossen Rat hin, ist in der kantonalen Finanzverwaltung eine Inkasso-Stelle eingerichtet worden.

Nach Angaben von Urs Meierhans, Chef der Finanzverwaltung, hat die Stelle inzwischen 1600 Dossiers von Personen erfasst, die in den Genuss einer solchen unentgeltlichen Rechtspflege gekommen sind. In 700 Fällen hat sie ein Inkasso eingeleitet. «Seit Anfang 2015 erfolgt das systematische Inkasso für die unentgeltliche Rechtspflege», sagt Meierhans. Im Jahr 2014 wurden die Dossier aus den Vorjahren erfasst, erste Inkassos seien bereits ab September letzten Jahres getätigt worden.

Erwartungen übertroffen

Die bisherigen Erfahrungen mit der Inkassostelle übertreffen die Erwartungen. Die Einnahmen sind dreimal so hoch wie budgetiert. Für dieses Jahr waren Einnahmen von 50 000 Franken vorgesehen. Es dürften aber 150 000 Franken werden. «Die aktuellen Einnahmen übertreffen die Kosten für die Stelle klar», sagt Meierhans.

Derzeit ist das Inkasso mit einer einzigen Vollzeitstelle dotiert. Das reiche, um das momentane Volumen zu bewältigen, sagt Meierhans. Es werde aber jährlich zunehmen. Jene Dossiers, zu denen keine Rückforderung möglich ist, werden nämlich alle zwei Jahre neu abgeklärt. Zusammen mit den laufend eintreffenden neuen Dossiers wächst also die Geschäftslast über die Jahre.

Als der Grosse Rat vor drei Jahren die Inkassostelle beschloss, ging der Regierungsrat noch davon aus, dass es für sie zwei Vollzeitstellen braucht. Sowohl das Volumen der Geschäftslast als auch die personelle Dotierung der Stelle seien damals zu hoch eingeschätzt worden, sagt Meierhans. Nach den ersten drei bis vier Jahren ihrer Arbeit werde eine Bestandesaufnahme gemacht, kündigt Meierhans an. «Wir gehen aber davon aus, dass für die Zukunft nicht die ganzen zwei Stellen benötigt werden.»

Grundlage für die zweijährliche Überprüfung der Dossiers sind die Steuerdaten. Sollte die Stelle zwischenzeitlich auf anderem Weg Erkenntnisse über eine Veränderung der finanziellen Situation eines Betroffenen erhalten, kann sie auch eine Überprüfung vornehmen, bevor zwei Jahre abgelaufen sind – und der Klient zum Beispiel eine Erbschaft verjubelt hat.

Dass die Inkassostelle für den Kanton rentiert, ist nicht von vornherein festgestanden. Kritiker im Grossen Rat fürchteten, dass der Kanton noch drauflegen würde. Einzelne Stimmen warnten gar vor einem teuren Leerlauf.

Lei: «Doppelte Genugtuung»

Zufrieden mit den ersten Erfahrungen der Inkassostelle ist SVP-Kantonsrat Hermann Lei (Frauenfeld), einer der Urheber des Vorstosses für die konsequente Rückforderung der unentgeltlichen Rechtspflege: «Selbst wenn man mit der Rückforderung Geld verlieren würde, müsste man es machen.» Alles andere wäre unfair gegenüber denen, welche ihren Rechtsstreit selber bezahlen müssen, sagt Lei. «Dass das Inkasso nun aber sogar gewinnbringend ist, ist eine doppelte Genugtuung.»

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