9.1.16 Wenn der KESB-Mann zweimal klingelt…

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„Interventionsorientierter Abklärungsauftrag*

Was den kleinen Ben geritten hat, als er seiner Lehrerin erzählte, er und seine Geschwister würden vom Vater manchmal mit einer Holzkelle geschlagen, wenn sie nicht gehorchten, ist nicht klar. Aber die Geschichte führte zu monatelangen Ausforschungen und Abklärungen.

Familie Roduner hat es gut: Der Vater ist in einer Kaderfunktion tätig und verdient so viel, dass die Mutter ihre Berufstätigkeit seit der ersten Geburt aufgeben und seither hauptberuflich die Erziehung der Kinder und den Haushalt übernehmen konnte. Der Vater versucht, viel Zeit mit der Familie zu verbringen; er kommt über Mittag nach Hause, hilft bei den Hausaufgaben und geht abends nur wenig weg. Wichtig sind Werte wie Hilfsbereitschaft, Respekt und das Bewusstsein, materiell privilegiert zu sein. Eine Familie wie aus dem Bilderbuch.

 

Eine KESB-Bombe

Da schlägt am Dienstag, 01.09.2015,  der Brief der KESB Altstätten wie eine Bombe ein. Die Schule Eichberg SG habe wegen Sohn Ben eine Gefährdungsmeldung gemacht. Mehr steht nicht, niemand will Auskunft geben. Erst nach Tagen erfahren die tief verunsicherten Eltern den Vorwurf: Der Klassenlehrerin sei im Turnunterricht ein blauer Fleck aufgefallen. Nach eingehender Befragung habe Ben dies damit erklärt, er und seine Geschwister würden vom Vater manchmal geschlagen, wenn sie nicht gehorchen. Es ist September, der Vorfall ist bereits sechs Monate alt und seither gibt es nichts, was den abenteuerlichen Vorwurf bestätigt hätte. Dennoch wird durch die KESB ein „interventionsorientierter Abklärungsauftrag“ vergeben.

 

Die Aufklärungswelle rollt

Nun rollt die Abklärungswelle an. Die beauftragte Stelle holt Akten und Schweigepflichtentbindungen ein, führt Telefonate und schreibt unzählige Briefe und Mails. Mutter, Vater, alle drei Kinder, die Lehrer der Kinder, die Schulsozialarbeiterin, sowie der Hausarzt werden eingehend und bis zu vier Mal stundenlang befragt. Gesundheit, Lebenssituation, Tagesstruktur, Umfeld, soziales Netz, Integration, Wohnsituation, Erziehung, körperliche Pflege, Sozialkontakte, alles wird monatelang beobachtet. Die Eltern fühlen sich erniedrigt und behandelt wie Schwerverbrecher. Roduners Weihnachten finden in trüber Stimmung statt.

 

„Interventionsorientierte Abklärung“

Dann kommt der Bericht: Die „interventionsorientierte Abklärung“ zeichnet ein Bild voller Harmonie. Niemand hat je irgendetwas von Gewaltanwendung in welcher Form auch immer gehört. Im Gegenteil: Die Familie ist bestens aufgestellt, die Kinder sind wohlbehütet und zufrieden. Die Geschichte mit der Kelle scheint eine Erfindung Bens zu sein, entstanden weil die Lehrerin auf ihn einredete. Das Verhältnis zu dieser Lehrerin war indes schon vorher getrübt. Sie wollte Ben seit langem „fördern“. Bei Ben gebe es Hinweise auf ADHS, sprachliche Schwierigkeiten, eine Entwicklungsverzögerung sowie Auffälligkeiten in der Fein- und Grobmotorik. Auch die Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz sei mangelhaft, er benötige Logopädie und Förderung in Psychomotorik. Dies stiess und stösst bei den Eltern auf Ablehnung, zumal Ben mit einem Notenschnitt von 5 glänzt… Die Eltern rätseln: Wollte die Schule mit der Gefährdungsmeldung Druck auf die – wie sie offenbar findet – konservative und förderungskritische Familie ausüben?

 

Drohungen bis zum Schluss

Obwohl es keinen ernsthaften Hinweis auf Gefährdung des Kindeswohls gibt, gibt die Abklärungsstelle nicht auf. Sie empfiehlt Fördermassnahmen und versetzt ihre Empfehlung gegenüber den renitenten Eltern mit einer handfesten Drohung: „Besteht weiterhin Dissenz zwischen Eltern und Schule (…) empfiehlt die Berichterstatterin eine kinderpsychologische Abklärung von Ben.“ Die Eltern wehren sich auch dagegen. Mit Erfolg: Am 8. Januar, fast 9 Monate nach dem angeblichen Vorfall, teilt die KESB Rheintal mit, dass „zurzeit“ keine Kindswohlgefährdung bestehe. Das Verfahren sie damit abgeschlossen. Die Familie Roduner ist zwar vollständig rehabilitiert, aber die monatelange Abklärerei hat Zeit, Geld und Nerven gekostet.

 

Einordnung

Die Geschichte zeigt das Problem der KESB. Erhält sie eine Gefährdungsmeldung, so ist sie fast gezwungen, Massnahmen einzuleiten. Weil die Behörde viel weiter weg ist als die Vormundschaftsbehörde früher, muss sie dies selbst in Fällen tun, in denen früher ein oder zwei Telefonate gereicht hätten, um Entwarnung zu geben. Das erhöht auch das Missbrauchspotential. Selbst mit einer völlig aus der Luft gegriffenen Gefährdungsmeldung kann praktisch jedermann diskreditiert und aus heiterem Himmel in ein sehr belastendes Verfahren gezogen werden. Das Parlament ist daher angehalten, die nötigen Korrekturen vorzunehmen.

 

Hermann Lei, Kantonsrat SVP, Frauenfeld

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