24.3.12 „Kein Grund für Rücktritt“ – Im Gegenteil!

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SVP-Kantonsrat Hermann Lei rechnet damit, von der Zürcher Staatsanwaltschaft angeklagt zu werden. Er will dennoch Kantonsrat bleiben. Die Justiz gehe aus politischen Gründen mit aller Härte gegen ihn und Christoph Blocher vor.

Wird es zu einer Anklage gegen Sie kommen, Hermann Lei?

Hermann Lei: Ich rechne damit. Die Affäre Hildebrand wurde politisch so hoch gekocht, dass es wohl eine Anklage geben wird. Ich bin damit aber absolut nicht einverstanden. Ich habe nicht gegen das Recht verstossen, sondern auf krasse Verfehlungen hingewiesen. Wenn das niemand mehr macht, dann breiten sich im Staat Filz und Mauscheleien aus..

Falls es zur Anklage kommt, müssten Sie als Kantonsrat zurücktreten und auf eine Wiederkandidatur verzichten. Sie sind zu belastet.

Lei: Dafür gibt es weder rechtliche noch politische Gründe. Es ist klar, dass die Rufmordkampagne der letzten Wochen nicht unbeschadet an mir vorbeigehen wird. Aber ich hoffe, dass Bürgerinnen und Bürger merken, dass ich wie bei den Einbürgerungsverfahren gegen Missstände vorgegangen bin. Dass das nicht allen passt und ich deshalb angegriffen werde, ist ja klar. Wer unbequem ist, schafft sich nicht nur Freunde.

Ohne Rücktritt werden Sie aber zur Belastung für ihre Partei, die SVP Thurgau.

Lei: Ich hoffe, dass die Partei weiter zu mir steht und mich unterstützt. Immerhin habe ich geholfen, einen gravierenden Missstand aufzudecken. Erinnern wir uns: Der Mann, der den Frankenkurs festlegt hat, hat sich damit privat bereichert.

Mussten Sie nicht von Anfang an damit rechnen, dass Sie die Staatsanwaltschaft zur Rechenschaft ziehen wird?

Lei: Nein. Ich bin bestürzt, dass nun die Personen so massiv verfolgt werden, die einen gravierenden Missstand aufdeckten, der zum Rücktritt von Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand führte. Sein fragwürdiges Verhalten war Auslöser der Vorfälle, er erhält nun aber fast schon so etwas wie eine Reinwaschung, eine Million als Bonus und kann sich auf Bali erholen. Dabei war sein Vorgehen völlig unhaltbar.

Sie hätten anders vorgehen und die Bank Sarasin oder den Bankrat der Nationalbank informieren müssen.

Lei: Der Missstand war so gravierend, dass wir handeln mussten. Wir informierten Christoph Blocher, weil wir überzeugt waren, dass Hildebrands Verfehlungen sonst nicht aufgedeckt würden.

Blocher steht nun selber massiv in der Kritik, auch gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Lei: Für mich ist das ein Beleg, dass sich die Ermittlungen der Justiz zu einem politischen Prozess auswachsen. Man versucht, die Überbringer der Nachricht politisch, persönlich und beruflich fertigzumachen. Wäre ich zum Beispiel zu SP-Nationalrat Daniel Jositsch gegangen, würden die Medien ganz anders berichten.

Sie haben auch die «Weltwoche» informiert und mit Bankauszügen versorgt. Ein Verstoss gegen das Bankgeheimnis.

Lei: Ich musste die Unterlagen an die «Weltwoche» weiterreichen, weil nicht einmal die Intervention Blochers bei Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey dazu führte, dass Bundesrat und Bankrat Hildebrands Verhalten angemessen untersuchten.

Sie kritisieren die Staatsanwaltschaft. Diese tut aber nur ihre Pflicht.

Lei: Die Staatsanwaltschaft müsste doch die Vorgänge rund um die Nationalbank untersuchen. Stattdessen werden die Personen verfolgt, die das alles ans Licht brachten. Die Strafuntersuchung ist auch politisch motiviert, das zeigen die Lecks bei den Strafbehörden. Wieso werden unter Verletzung des Amtsgeheimnisses Informationen an die Medien weitergegeben?

Hat sich das alles gelohnt? Hildebrand musste wegen kleiner Devisengeschäfte zurücktreten, die Konsequenzen für Sie wie für den Informanten könnten gravierend sein.

Lei: Das sind keine geringfügigen Verfehlungen. Es ist untragbar, dass sich der Präsident der Nationalbank, die mit Hunderten von Milliarden Franken handelt, privat bereichert. Ein normaler Bürger würde dafür wegen Verstoss gegen die Insiderstrafnorm ins Gefängnis kommen.

Wollte die SVP nicht einfach den ungeliebten Hildebrand loswerden?

Lei: Für mich spielte das keine Rolle. Dass etwas faul im Gebälk war, stellten selbst Wirtschaftsjournalisten im Ausland fest.

Der Informant wirft Ihnen vor, vieles gegen seinen Willen unternommen zu haben. Haben Sie ihn nicht einfach benutzt?

Es war ihm ein echtes Anliegen, die Vorgänge aufzudecken. Dass er jetzt nach Erklärungen sucht ist normal. Ich habe aber nie als sein Anwalt noch gegen seinen Willen gehandelt.

Aber hätten Sie ihn nicht vor sich selbst schützen müssen?

Lei: Beide waren wir als Staatsbürger der Ansicht, dass diese Missstände aufgedeckt werden müssen. Es gab keinen Grund aufzuhören, weil wir doch nicht zusehen konnten, dass die Nationalbankspitze mit höchst vertraulichen Informationen privat Geld verdient.

Interview: Marc Haltiner

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