Schlechte Richter, schlechtes Recht

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Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) auf Abwegen

Seit die Schweiz die EMRK ratifizierte, wurde sie rund 60 mal vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt. Eine Analyse der Verurteilungen zeigt: Nur gerade in 4 Fällen, wurde die Schweiz zu Recht (aber meist wegen Bagatellen) verurteilt. Eine überwiegende Anzahl der Verurteilungen hält unserem Rechtsverständnis indes nicht stand (32 Fälle). Beim Rest handelt es sich um Auslegungsfragen und Fragen ohne Erkenntnisgewinn. Angesichts dieser bescheidenen Ausbeute wäre es an der Zeit, den Ausstieg aus dem EGMR zu diskutieren.

1974 ratifizierte der Bundesrat die EMRK. Damit unterstellte man sich auch dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Schon bald zeigte sich aber, dass der EGMR die Tendenz hat, seine Kompetenzen willkürlich auszudehnen. Der dadurch ausgelöste Unmut ging so weit, dass im Ständerat ein Postulat zur vorsorglichen Kündigung der EMRK eingereicht und mit 15 Ja  gegen 16 Nein auch beinahe überwiesen wurde. Bis heute ist die Kritik am EGMR nicht abgeklungen. Zu Recht, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Widersprüchliche Rechtsprechung

So wurde die Schweiz im Fall Huber z.B. verurteilt, weil sich die Schweizerischen Gerichte an ein früheres Urteil des EGMR gehalten hatten, dieser aber seine Meinung geändert hatte. Im Fall Bellini bemängelte das EGMR die lange Verfahrensdauer des Bundesgerichts. Dieses hatte in einem Haftverfahren ca. 20 Tage benötigt, um eine Beschwerde zu beurteilen. Verglichen mit dem EGMR, der für das banale Urteil rund 5.5 Jahre benötigte, hat das Bundesgericht immerhin fast mit Überschall gearbeitet… Für die Feststellung, das Verfahren habe zu lange gedauert, benötigt der EGMR Verfahrensdauern, die im Verhältnis zu den beanstandeten schweizerischen Verfahrensdauern grotesk wirken, nämlich im Fall Zimmermann rund 4 Jahre, Fall Kiefer rund 5 Jahre, Fall Müller rund 4.5 Jahre, Fall Munari rund 3 ¾ Jahre, Fall McHugo fast 7 Jahre, Fall Merz rund 5 Jahre.

Fall Schlumpf

Viel zu reden gab auch der Fall Nadine Schlumpf. Frau Schlumpf wünschte sich im hohen Alter eine Geschlechtsumwandlung, welche die obligatorische Krankenkassenpflegeversicherung übernehmen solle. Das Bundesgericht hat auf seiner seit längerem bestehenden „Wartefrist“ bestanden, vor Ablauf derer eine Geschlechtsumwandlung nicht von der Krankenpflegeversicherung bezahlt wird. Der EGMR konnte hier eine Verletzung von Art. 6e EMRK nur deshalb feststellen, weil er in Überschreitung seiner Kompetenzen auch die sozialversicherungsrechtliche materiellrechtliche Lage in Frage stellte. Dies hat das Bundesgericht zu recht erzürnt: Die Richter in Strassburg hätten die ihnen übertragenen Zuständigkeiten überschritten. Die Mehrheit des Bundesgerichts glaubte leider dennoch, dass es auch ein „illegales“ Verdikt aus Strassburg umsetzen müsse.

Absurde Erfindungen

Eine absurde Erfindung des EGMR ist das „Recht auf ewige Replik“: In der Regel kann in einem Prozess eine Partei ihre Angelegenheit ein oder zweimal schriftlich vorbringen, woraufhin die andere Partei darauf antworten kann. Danach wird entschieden. Nach Auffassung des EGMR ist dies nicht zulässig. Nach jeder Eingabe muss die andere Partei Gelegenheit haben, dazu Stellung zu nehmen. Diese absurde Forderung des EGMR nach einem Recht auf endlosen Schriftenwechsel kontrastiert seltsam zur eigenen Praxis des EGMR: Dieser hört nämlich die Gegenpartei in der Regel überhaupt nicht an! – Im Fall Kopp (Ehemann der ehemaligen Bundesrätin) wurde die Telefonanhörung des Anwaltes und Bundesratsgatten Hans W. Kopp als unzulässig beurteilt, weil er Anwalt war. Im Ergebnis bedeutet das: Weil der Ehemann von Bundesrätin Kopp Anwalt war, durfte man sein Telefon nicht abhören, während ein Ehemann mit einem anderen Beruf hätte abgehört werden dürfen.

Jeder Fall ein Fehlurteil

Im Fall Boultif wurde die Schweiz verurteilt, weil der kriminelle Algerier Boultif ausgewiesen werden sollte, obwohl er in der Schweiz eine Frau habe. Die Frage ist, ob dies einen Grund ist, einen Räuber nicht auszuweisen? Im Fall Hadri-Vionnet war ein Kind als Frühgeburt tot geboren worden. Die Eltern wollten das Kind nicht sehen, weshalb die Behörden ein Begräbnis anordneten. Zwar anerkannte der EGMR, dass die Gemeindeangestellten im guten Glauben der Meinung waren, die Eltern wollten das Kind nicht mehr sehen und an der Beerdigung nicht teilnehmen. Die Konventionsrechte müssten aber eingehalten werden, unabhängig vom guten Glauben der Angestellten. Stossend, ja konventionswidrig ist sodann, dass der EGMR eigenmächtig seine Anwendung von zivil- oder strafrechtlichen Verfahren auf die meisten verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten ausgedehnt hat.

Nebulöse Rechtsprechung

In keinem einzigen Fall, in dem die Schweiz vom EGMR wegen Verletzung der EMRK verurteilt wurde, kann von einer Menschenrechtsverletzung im landläufigen Sinne die Rede sein: Nie wurde jemand willkürlich getötet, grundlos der Freiheit oder seines Eigentums beraubt und so weiter. Ein grosser Teil der Verurteilungen betrifft lediglich Verfahrensfragen, die keinen Einfluss auf das Ergebnis gehabt haben. Wer sich zudem an die Praxis des EGMR hält, riskiert, das nächste Mal wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt zu werden, weil der EGMR seine Praxis inzwischen geändert hat (Fall Huber, Weber, Hurter).

Unglaubwürdiger EGMR

Vier Verurteilungen wegen verfahrensrechtlichen Fragen sind nachvollziehbar. Im Fall Wettstein waren zwei der fünf Richter am Verwaltungsgericht leicht befangen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts war aber auch nach Ansicht des EGMR richtig. Hier von einer Menschenrechtsverletzung zu sprechen, scheint übertrieben. In einigen Fällen stellte der EGMR sodann zu Recht eine zu lange Verfahrensdauer fest. Mit seiner Erfindung des Rechts auf endlosen Schriftenwechsel hat er dies aber selbst massgeblich mitverursacht. Vollends unglaubwürdig wird der EGMR, indem er dem Anspruch auf rechtliches Gehör grosse Bedeutung beimisst, diesen Anspruch selber aber in keiner Art und Weise einhält.

EGMR unnötig

Insgesamt überzeugt die oft vertretene Meinung, der EGMR sei ein unverzichtbares Instrument für die Menschenrechte und die Rechtstaatlichkeit daher nicht. Nebst einigen wenigen berechtigten Mängeln, wie sie in jedem Rechtssystem vorkommen können, ist der grösste Teil der Verurteilungen der Schweiz darauf zurückzuführen, dass der EGMR unsinnige Formalismen pflegt, gesetzliche Bestimmungen anders auslegt, als die Schweizerischen Gerichte, Sachverhalte anders würdigt oder Interessenabwendungen anders vornimmt. Angesichts dieser bescheidenen Ausbeute sowie der Tendenz des EGMR, seine Macht unzulässig auszudehnen, wäre es an der Zeit, den Ausstieg aus dem EGMR zu diskutieren.

Hermann Lei, Rechtsanwalt und Kantonsrat

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