16.4.2012 Interview mit der TZ: „Ich durfte keine Vorträge halten“

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Hermann Lei ist erleichtert. Wegen seiner Rolle im Fall Hildebrand hatte er nicht damit gerechnet, die Wiederwahl in den Grossen Rat zu schaffen. Sein Wahlergebnis wertet er nun als Bestätigung für sein Handeln. «Aber auch als Bestätigung für meine sonstige politische Arbeit», sagt Lei.

Herr Lei, Sie waren gestern nicht im Wahlzentrum. Fürchteten Sie sich vor dem Wahlergebnis?

Hermann Lei: Ich bin in den Ferien. Ein Kollege hat mir deshalb mein Wahlergebnis telefonisch mitgeteilt.

Wie haben Sie reagiert?

Lei: Ich habe mich sehr gefreut. Ich hatte nicht damit gerechnet, wiedergewählt zu werden.

Hatten Sie in Ihrem Wahlkampf so viele negative Reaktionen?

Lei: Überhaupt nicht. Aber wenn während drei Monaten eine schweizweite Kampagne gegen einen einzelnen Kantonsrat geführt wird, mit Lügen und Unterstellungen, und dazu die Partei auch noch schlecht abschneidet, dann ist die Wiederwahl keineswegs sicher, eben eher überraschend.

Ihr Ergebnis fiel knapp aus. Ist das vielleicht doch ein Denkzettel?

Lei: Unter den erwähnten Umständen ist auch ein knappes Ergebnis ein sehr gutes Ergebnis.

Werten Sie das Ergebnis als Bestätigung für Ihr Handeln im Fall des zurückgetretenen Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand?

Lei: Es ist eine Bestätigung für meine bisherige Politik und auch für meine Rolle im Fall Hildebrand. Ich habe mitaufgedeckt, dass der Nationalbankpräsident ein Spekulant war, der sich selber bereicherte. Das haben unsere Wähler gemerkt und honoriert.

Die SVP Thurgau hat aber zehn Sitze verloren. Tragen Sie daran schuld?

Lei: Nein, dafür gibt es andere Gründe, wie die neue Bezirkseinteilung. Ich habe meiner Partei nicht geschadet, das ist nun eindeutig. Ansonsten wäre ich abgewählt worden.

Sie haben 4233 Wählerinnen und Wähler hinter sich gebracht. Das bedeutet nicht, dass sich andere Wähler nicht genau wegen Ihrer Rolle im Fall Hildebrand von der SVP abgewandt haben.

Lei: Dann hätte ich das als erster bei meinem Wahlergebnis zu spüren bekommen. Davon bin ich überzeugt. Ich denke sogar, die SVP Thurgau hätte offensiver kommunizieren können.

Wie meinen Sie das? Hätte Sie Ihrer Meinung nach mit dem Fall des Nationalbankpräsidenten werben sollen?

Lei: Sie hätte klar sagen können, dass wir einen Skandal aufgedeckt haben. Dass wir eine Partei sind, die nicht schweigt, wenn sie Unrecht entdeckt.

Haben Sie Ihrer Partei im Wahlkampf etwa vorgeschlagen, auf den Fall Hildebrand zu setzen?

Lei: Nein. Ich mache der Partei auch keinen Vorwurf. Aber ich hätte während des Wahlkampfes gerne Vorträge gehalten und meine Rolle im Fall Hildebrand erklärt. Ich hätte das falsche Bild, dass in vielen Medien gezeichnet wurde, korrigieren können. Es hiess aber, ich solle das bleiben lassen, ich würde der Partei nur schaden. Ich bin aber der Ansicht, dass sich die SVP Thurgau öfters klarer positionieren sollte.

Welches falsche Bild?

Lei: Das des bösen Hermann Lei, der den guten Philipp Hildebrand zu Fall gebracht hat.

Haben Sie den Eindruck, dass Sie während des Wahlkampfes viele Menschen von Ihrer Sicht der Dinge überzeugen konnten?

Lei: Die letzten zwei Wochen stand ich sehr viel auf der Strasse. Ich sprach mit den Passanten und erklärte Ihnen mein Handeln. Viele von ihnen verstanden anschliessend, weshalb ich tun musste, was ich getan habe.

Wie haben Sie den Wahlkampf empfunden?

Lei: Die letzte Zeit ist für mich sehr unangenehm gewesen. Ich habe das nur unbeschadet überstanden, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, der Bürger merke schon, was Recht ist. Dieses Gefühl hat sich als richtig herausgestellt: All der Dreck, der in den vergangenen Monaten über mich geschüttet wurde, ist nun vollständig abgewaschen. Der Bürger kann eindeutig besser zwischen Recht und Unrecht unterscheiden als die Classe Politique.

Auf politischer Ebene können Sie mit der Wiederwahl in den Grossen Rat aufatmen. Auf der rechtlichen Ebene müssen Sie aber mit weiteren Schritten gegen Sie rechnen.

Lei: Das ist so. Ich habe schon im Wahlkampf offen kommuniziert, dass es vermutlich zu einer Anklageerhebung und auch zu einem Gerichtsverfahren kommen wird. Denn es wurde bis jetzt ein sehr aggressiver Stil gefahren, der mit Sicherheit politisch motiviert war. Damit muss ich auch weiterhin rechnen.

Werden Sie im Falle eines rechtskräftigen Urteils gegen Sie von Ihren politischen Ämtern zurücktreten?

Lei: Ich werde nirgends zurücktreten, denn ich habe nichts falsch gemacht. Ich hätte auch niemals gedacht, dass wegen dieser Sache ein Verfahren gegen mich eröffnet werden könnte.

Echt nicht?

Lei: Nein. Und das sage ich nicht nur so daher. Ich habe mich bei verschiedenen Rechtsexperten darüber erkundet, welche Konsequenzen die Weitergabe der Bankdaten für mich haben könnten. Sie alle meinten, dass sei kein Problem.

Meinen Sie damit auch die Weitergabe der vertraulichen Dokumente an die «Weltwoche»?

Lei: Zu diesem Schritt sah ich mich gezwungen, weil der politische Weg nicht funktionierte.

Sie wissen nicht, ob er funktioniert hätte, weil Sie nicht lange genug abwarteten. Waren Sie übereifrig?

Lei: Nein, das war ich nicht. Ich ging erst an die Medien, als mit allen Mitteln versucht wurde, die Sache zu vertuschen. Während sich die grossen Tiere vor den Nationalbankpräsidenten stellten, obwohl sie die belastenden E-Mails in ihren Aktentaschen trugen, wurde auch noch mein Name geoutet. Ich sah keine andere Möglichkeit, als mit den Medien die vierte Gewalt zu aktivieren.

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