14.9.12 Der vergessene Krieg

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Heldenhafte Schweizer Armee – was linke Reiseführer verschweigen

In den Sommerferien erkundete ich mit meiner Familie wieder einmal das Tessin. Spannend ist eine Tour zu den „Bagni di Craveggia“, zuhinterst im Valle Onsernone. Die Strasse dorthin endet in Spruga, neben einer kleinen Osteria. Ein bequemer Weg erlaubt ein gemächliches Wandern hinab ins Tal. Nach einer guten halben Stunde endet das Strässchen und  man erreicht den Fluss. Hier entspringt am gegenüberliegenden italienischen Ufer eine heisse Quelle und plätschert durch die Ruinen eines ehemaligen Kurbades. Der Ort ist geschichtsträchtig – hier kam es beinahe zum Krieg zwischen der Schweizer Armee und dem faschistischen Italien.

Bäderfahrten

1881 wurde hier ein Hotel gebaut, das letztmals 1986 von Lawinen bis auf die heute sichtbaren Reste zerstört worden ist. Die verbliebenen Badruinen sind gesichert, sodass man sich gefahrlos in den weissen Wannen aus dem 19. Jahrhundert fotografieren kann. Die Quelltemperatur beträgt um die 28 Grad, das warme Wasser fliesst in eine riesige Granitzisterne, welche einen dunklen Raum fast ausfüllt. Hier kann man im warmen, sauberen Wasser ein Bad nehmen. Den Tipp für die schöne Tour entnahm ich dem Buch „Bäderfahrten“ (2002) von Jürg Frischknecht und Ursula Bauer. Jürg Frischknecht wurde bekannt, weil er 1976 zu der linksradikalen Gruppe gehörte, die auf spektakuläre Weise in das Archiv von Ernst Cincera eindrang. Und seit seinen Büchern «Unheimliche Patrioten. Politische Reaktion in der Schweiz» (1979) und «Rechte Seilschaften» (1998) gilt er als Gesinnungswächter und bestimmt den Bedrohungsgrad rechtsextremer Gefahr in der Schweiz. Seine Reise- und Wanderbücher aber sind sehr zu empfehlen, auch wenn er es mit der mittelschullehrerhaften Schwärmerei für heldenhafte Partisanen und verfeinerte Polenta manchmal etwas übertreibt.

Beinahe Krieg

Am Flussufer des Isorno also nahm ich den Reiseführer des linken Autors zur Hand und las von der Geschichte der Bäder. Drei Partisanen seien hier 1944 von den Nazis erschossen worden. „Die Schweizer Grenztruppen durften Bewaffnete nur im Falle von Lebensgefahr ins Land lassen.“ heisst es vorwurfsvoll.  Zuhause wollte ich mehr über diese Geschichte wissen. Und entdeckte, dass der linke Gesinnungswächter Frischknecht den Lesern Wesentliches verschweigt, wahrscheinlich weil es nicht in sein Geschichtsbild der angeblich anpasserischen Schweiz im zweiten Weltkrieg passt.  In Tat und Wahrheit ereignete sich an diesem Fluss nämlich ein Stück heldenhafte Schweizergeschichte,  welches linke Geschichtsklitterer vergessen machen wollen: Am 18. und 19. Oktober 1944 fand hier die „Battaglia dei Bagni di Craveggia“ statt, ein „Grenzgefecht“ zwischen deutsch-italienischen Faschisten und der Schweizer Armee. Mit dem erfolgreichen Vormarsch der alliierten Truppen durch Italien nach Norden bilden sich verschiedene „freie Republiken“, so auch die „Repubblica d’Ossola“. Den Partisanen gelang es, die faschistischen Machthaber zu vertreiben. Die Republik d’Ossola umfasste das Gebiet vom Monte-Rosa-Massiv im Westen bis nach Cannobio am Lago Maggiore im Osten. Die Republik Ossola wurde von den Tessinern unterstützt, ging aber bald unter, als faschistische Truppen den Hauptort Domodossola zurückeroberten. Viele Partisanen flohen.

Ein Ultimatum

Ungefähr fünfhundert Flüchtlinge, die Hälfte Zivilisten, unter ihnen 37 Frauen und 31 Kinder, wollten sich am 18. Oktober 1944 nach einer abenteuerlichen Flucht beim Kurbad Craveggia in die Schweiz in Sicherheit bringen. Eine schwer bewaffnete, etwa 200 Mann starke faschistische Militäreinheit mitsamt drei oder vier deutschen SS-Offizieren war den Flüchtenden auf den Fersen. Die Truppe eröffnete mit ihren Geschützen bei den Bädern das Feuer auf die Partisanen und die Zivilpersonen. Zwei Tote und viele Verletzte waren das Ergebnis des Kampfes. Die restlichen Flüchtlinge flohen hinauf ins schweizerische Spruga. Dort war die Schweizer Armee nur schwach präsent. Der Kommandant der italienischen Armeeeinheit forderte deshalb die unverzügliche Auslieferung der in die Schweiz Geflüchteten bis zum nächsten Morgen um sechs Uhr früh. Sollten die Schweizer das Ultimatum nicht einhalten, würde er seiner Einheit den Befehl zum Angriff auf Spruga erteilen. Die Schweizer Armeeführung handelte sofort: Drei motorisierte Gruppen einer Grenadierkompanie wurden ins entlegene Dorf verschoben und erreichten Spruga um 22 Uhr, die übrigen Grenadiere trafen nach einem Gewaltmarsch von sechzig Kilometern in den frühen Nachtstunden dort ein und  begannen mit dem Stellungsbau. Eine unglaubliche Leistung!

Die Nazis ziehen ab

Am folgenden Morgen wurde dem italienischen Kommandanten mitgeteilt, es würden keine Flüchtlinge ausgeliefert und einem Angriff werde man sich mit Waffengewalt widersetzen. Nach einem Blick auf die inzwischen errichteten Schweizer Geschützstellungen mässigte der italienische Kommandant seinen bisher arroganten Ton und zog sich zur Beratung zurück. Wenige Zeit später brach die Truppe des faschistischen Italien ihre Stellungen ab und verliess das Onsernonetal.

Frischknecht war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Ich wage dennoch die These: Frischknecht ist diese Geschichte zweifellos bekannt. Aber sorgsam umgeht er sie in seinem Reiseführer, weil sie nicht in sein Geschichts- und Weltbild passt. Und deshalb sollen seine Leser sie auch nicht erfahren – was nicht sein darf wird aus der Wahrnehmung und aus der Geschichtsschreibung entfernt. Diese kleine Begebenheit eröffnet uns Einblick in das totalitäre Denken und Handeln der Linken.

Ich lege das Buch Frischknechts beiseite, steige nach einem Bad im kalten Wasser des Isorno nochmals in die Wanne mit warmen Wasser und denke an das fast vergessene Ereignis hier am Fluss. Hier waren unbekannte Schweizer Wehrmänner bereit gestanden, ihr Leben für die Freiheit zu lassen. Wir werden sie nicht vergessen.

Hermann Lei, Frauenfeld

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