15.4.13 Neger, Zigeuner und das Rösslein Hü

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In den Niederungen politischer Korrektheit

Neger, Zigeuner und das Rösslein Hü

Hexen, Wassermänner, Räuber aber keine Neger. Der Thienemann-Verlag streicht diskriminierende Begriffe aus den Kinderbuchklassikern des kürzlich verstorbenen Otfried Preussler. Auch in den Neuausgaben Astrid Lindgrens wurde Pipis Vater vom Negerkönig zum Südseeherrscher. Ein Streifzug durch Bücher meiner Kindheit und die Niederungen der politischen Korrektheit.

 

Ich lese meinen Kindern abends gerne ein Kapitel aus „Das Rösslein Hü“ vor. Leider ist die Kindergeschichte politisch unkorrekt: Das Rösslein „Hü soll von den Negern gebraten werden“, so die Titelüberschrift eines Kapitels. In einer späteren Auflage meines Rösslein Hü (Ausgabe 1979) steht schon nicht mehr „Hü soll von den Negern gebraten werden“ sondern „Hü soll von den Wilden gebraten werden“. Allerdings kommen im Text die Neger immer noch gehäuft vor. Und auch im Globibuch treiben Neger ihr Unwesen (vgl. Bild). Damit soll nun Schluss sein. Kinderbuchklassiker, welche tausende Kinder und viele Generationen junger Menschen begleitet haben wie „Die kleine Hexe“ werden künftig ohne Begriffe wie „Negerlein“ und „Neger“ erscheinen. „Wir werden alle unsere Klassiker durchforsten“ kündigen die Verlage an. Die umstrittenen Wörter würden dabei nicht ersetzt, sondern ganz gestrichen, es sei notwendig, Bücher an den sprachlichen und politischen Wandel anzupassen. Auch Erwachsenen wird kein eigenständiges Urteil zugetraut: So wird zum Beispiel auch Agatha Christies Krimi „Zehn kleine Negerlein“ umgetauft.

 

 

Waffelgestützter Eiweissschaum mit Schokoladenüberzug

Und so gibt es keine Neger mehr und sie wohnen auch nicht mehr in Obervolta sondern in Burkina Faso. Statt Neger verwendet man heute mit ehrfürchtigem Unterton „Schwarzer“. Mit dem massenhaften Auftreten krimineller Schwarzer hat indes auch diese Bezeichnung bereits einen negativen Unterton. Also muss eine neue Bezeichnung her, man spricht von Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Und das Rösslein Hü wird wohl in Zukunft von Neonazis gebraten. Ganz politisch korrekt essen meine Kinder auch keine Mohrenköpfe mehr sondern „Waffelgestützten Eiweissschaum mit Schokoladenüberzug“.  In der Schule spielt man sodann nicht mehr „Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann?“. Denn die Rassismuskommission EKR fordert Schulen auf, das Spiel abzuschaffen  und stattdessen Rassismus und seine Auswirkungen zu thematisieren.

 

Wie nenne ich einen Zigeuner richtig?

Die Hauptfigur aus einem anderen Buch klaut gewohnheitsmässig und brät Igel über dem Feuer. Es ist ein Zigeuner. Ich ahne, dass ich nur schon mit dem Wort Zigeuner etwas falsch mache. Und richtig: Der „Zentralrat  Deutscher Sinti und Roma“ findet es beleidigend, wenn man von Zigeunern spricht, deshalb hat sich in Deutschland im offiziellen Sprachgebrauch „Sinti und Roma“ eingebürgert. In der Schweiz ist alles noch viel komplizierter. Die Rassismuskommission EKR klärt uns auf, wie wir Zigeuner politisch korrekt nennen müssen. Sie heissen nämlich Jenische, lernen wir. Daneben gebe es aber auch den Begriff „Roma“ oder eben „Sinti“. In der Schweiz lebten aber auch einige „Manouches“. Wieder eine andere Benennung für Zigeuner sei Gitans (Kalés), welche in Spanien und Südfrankreich zu finden seien. Oder man nennt die Zigeuner Fahrende, Romanés, Gadschao oder schlicht MEM (mobile ethnische Minderheit). Das Vorlesen wird damit für die Kinder etwas anstrengend: „Der Rom/Sint/Manouche/Gitan/Kalé/Fahrende/Romané/Gadschao/MEM brät einen Igel.“ muss es neu und korrekt heissen.

 

Meine Kinder kriegt ihr nicht!

Die politisch korrekte Zensur von Begriffen hat System. Schon George Orwell beschrieb in seinem Klassiker „1984“ die vom herrschenden Regime vorgeschriebene, künstlich veränderte Sprache. Das Ziel dieser Sprachpolitik war es, das Denken zu manipulieren. Ganz ähnlich tönt es heute: „Sprache bildet Realität nicht nur ab, sie schafft sie auch.“ lesen wir im „Leitfaden für gendergerechte Texte“ am eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung. Man mag darüber diskutieren, ob es sinnvoll ist, heute diskriminierend empfundene Begriffe zu verwenden. Wenn aber staatliche Stellen Sprachpolizei spielen, um das Denken unserer Kinder zu manipulieren, dann muss ich sagen: Nein, meine Kinder kriegt ihr nicht! Und als leiser Protest lesen ich meinen Kindern das Rösslein Hü weiterhin in der unzensierten Fassung vor.

 

Hermann Lei, Frauenfeld

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2 Antworten zu 15.4.13 Neger, Zigeuner und das Rösslein Hü

  1. Super, lieber Hermann Lei, auch ich behalte mir die Freiheit vor, mein Kind in meiner Verantwortung zu erziehen!
    Herzliche Grüsse aus Amden
    Monika Selimi

  2. Daniel Vinci sagt:

    Eine weitere kleine Anekdote zum Thema: Das beliebte und von mir in der Kindheit bis zum Auswendiglernen gehörte Kasperlitheater „De Schorsch Gaggo reist uf Afrika“ wurde im gesprochenen Einleitungstext neu politisch Korrekt überarbeitet, jedoch ging auf der Rückseite CD-Hülle (copyright 2003!!) bei den vorgestellten Figuren die vollständige Umsetzung inkonsequenterweise vergessen. Beispielbild unter: http://www.weltbild.ch/3/15613599-1/hoerbuch/kasperlitheater-nr-7.html

    Der Kasperli bringt einem eben immer weider zum Lachen…

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