2.1.14 Verbrecherrecht

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Das Völkerrecht schützt Täter

Vier Männer aus Ex-Jugoslawien vergewaltigen eine junge Frau. Die Täter sitzen in U-Haft. Als der erste Täter einvernommen wird, sitzen die anderen – und das Opfer! – im gleichen Raum und der Täter erklärt lauthals, die Frau sei betrunken gewesen und habe mit Vergnügen mitgemacht. In der Sprache seiner Landsleute sagt er: „Ihr sagt das gleiche! Und Du, kleine Schlampe, auch, sonst bist Du tot!“. Bald darauf werden alle freigesprochen – dank „Völkerrecht“.

 

Wenn Verbrecher sich absprechen

Mit der Einführung der neuen Strafprozessordung wird den Strafverteidigern das Recht eingeräumt, auch an Einvernahmen anderer Beschuldigter anwesend zu sein. Die vier Personen wurden zwar getrennt in Untersuchungshaft gebracht. Dadurch sollte erreicht werden, dass sich die Beschuldigten nicht absprechen können und so die Wahrheit ans Licht kommt. Es soll so auch verhindert werden, dass Drohungen ausgesprochen werden, um sicher zu stellen, dass sich auch jeder an die abgestimmte Version hält.

 

Untersuchungshaft als Farce

Aus diesem Grund ist es der Staatsanwaltschaft  zwar theoretisch möglich, einzelne Täter von den Einvernahmen anderer Mitbeschuldigter auszuschliessen. Dafür müsste jedoch feststehen, dass die Mitbeschuldigten, beispielsweise vom Alphatier, massiv eingeschüchtert werden. Schon das ist schwierig, noch schwieriger ist es, seinen Verteidiger auszuschliessen. Aber auch Verteidiger können unter Druck gesetzt oder verleitet werden, ihren Klienten Informationen zu liefern, mit welchen diese ihre Version der Tat anpassen und ihre Aussagen mit diejenigen der anderen Beschuldigten abstimmen können. Somit wird das Ziel der Untersuchungshaft, die sog. „Verdunkelungsgefahr“ zu unterbinden, erschwert oder sogar verunmöglicht. Die Vergewaltiger können sich dank unserem Recht also bestens absprechen.

 

Täter und Opfer im selben Raum

Das Teilnahmerecht der beschuldigten Partei geht sodann so weit, dass es sogar dem Täter möglich ist, bei der Einvernahme des Opfers dabei zu sein. Stellt man sich vor, wie einschneidend die Erfahrung einer Straftat am eigenen Leib sein kann, liegt es nahe, dass das sich das Opfer vor dem Übeltäter kaum wird frei äussern können. In der Unterhaltung mit seinem Dolmetscher kann ein Vergewaltiger sogar eine Drohung gegenüber dem aus dem gleichen Land stammenden Opfer ausstossen. Das Bundesgericht erklärt dazu, es gehe nicht an, in einem solchen Falle z.B. den Strafverteidiger auszuschliessen. Die Gefahr, dass ein Täter oder sein Verteidiger ihre Anwesenheit oder das durch die Anwesenheit erlangte Wissen dazu missbrauchen würde, durch Verdunkelungshandlungen, so durch das Einwirken auf Beweismittel oder durch unzulässige Beeinflussung der einzuvernehmenden Person, die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen, reiche nicht.

 

Täterschutz im Namen des Rechts

In unserem eingangs erwähnten – fiktiven aber möglichen  – Beispiel erzählen die vier Vergewaltiger die vom Alphatier vorgezeichnete Geschichte: das Opfer habe gerne mitgemacht. Weil zudem das bedrohte und eingeschüchterte Opfer seine Aussagen in zentralen Teilen zurücknimmt  werden die Vergewaltiger freigesprochen. Schon fast typisch für unser Strafrecht werden nicht das Opfer und die Öffentlichkeit, sondern die Täter geschützt. Da passt es auch ins Bild, dass sich das Bundesgericht dabei nicht etwa auf eine Verfassungsnorm berief, sondern auf den Anspruch auf rechtliches Gehör, welches in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist (Art. 6 EMRK). So schützt das Bundesgericht und das sogenannte „Völkerrecht“ Täter und verhöhnt die Opfer!

 

Hermann Lei, Frauenfeld

 

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