17.7.14 Bis die Balken brechen – „Lügen“ zur Personenfreizügigkeit, Teil 1

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„Lügen“ zur Personenfreizügigkeit, Teil 1

Bis die Balken brechen

Lügt der Bundesrat, wenn er von 10‘000 Einwanderern spricht, aber 80‘000 kommen? Lügt die NZZ, wenn sie die rekordhohe Arbeitslosigkeit mit dem schlechten Wetter wegredet, obwohl es noch nie so schön und warm war? Lügt das Bundesamt für Statistik, wenn es kurz vor der Abstimmung über die Personenfreizügigkeit suggeriert, es würden mehr Ausländer die Schweiz verlassen als einwandern? Echte Lügen sind selten, dafür sind die Politiker und die Medien zu schlau. Aber bei dieser Abstimmung wurde so viel verdreht, weggelassen und getrickst, dass wir sagen: hier  wurde gelogen, bis die Balken brechen. Teil 1 unserer „Lügensammlung“ zeigt einige Müsterchen vor der Abstimmung. Es gäbe noch viel mehr.

  1. «Wie die Erfahrungen in der EU zeigen, sind die Ängste [. . .], die Einwanderung aus EU-Staaten in die Schweiz werde stark zunehmen, nicht begründet». Es ist «nicht mit einem Einwanderungsdruck» zu rechnen (Abstimmungsbüchlein zum ersten bilateralen Paket). Micheline Calmy-Rey zur Befürchtung, es könnte jährlich ein Vielfaches der bundesrätlichen 10 000 Einwanderer einwandern: «Das ist ein Phantasma.» Wahrheit: Jährlich wandern netto um 80 000 Personen aus der Europäischen Union in die Schweiz ein.
  2. «Der freie Personenverkehr gilt nicht für Arbeitslose.» (Abstimmungsbüchlein 2005). Wahrheit: EU-Arbeitslose können in die Schweiz gelangen, wenn sie angeben, «zwecks Arbeitssuche» in die Schweiz einzureisen.
  3. «Belegte eine Person 1980 noch 34 Quadratmeter Wohnfläche, sind es heute rund 50 Quadratmeter.» (Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann erklärt die gestiegenen Bodenpreise und Mieten). Wahrheit: Die Wohnfläche ist seit dem Jahr 2000 fast nicht angestiegen. In Städten wie Zürich oder Luzern nahm die Fläche pro Person sogar ab.
  4. „Die Zuwanderung in die Schweiz werde in erster Linie durch die Nachfrage der Wirtschaft bestimmt.“ (Bundesrätin Simonetta Sommaruga). Wahrheit: gemäss Statistik des BFM entfallen 44% der Einwanderung auf den Familiennachzug, auf Aus- und Weiterbildung und auf „nicht bestimmbare“ Berufstätigkeit.
  5. „Es konnte kein genereller Lohndruck bei Schweizer Arbeitnehmenden infolge der Personenfreizügigkeit​ festgestellt werden.“ (SECO). Wahrheit: Mehrere Untersuchungen gehen davon aus, dass die Löhne in den letzten Jahren ohne Personenfreizügigkeit stärker zugenommen hätten.
  6. „Deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit (…) vor allem der schlechten Witterung geschuldet.“ (NZZ). Wahrheit: «Sonnenscheinrekord bei anhaltendem Schönwetter» «Noch vor Weihnachten wurden Dezember-Sonnenrekorde in den Regionen Bern, Zürich, Winterthur und St. Gallen erreicht. Anschliessend kamen die Rekorde der Messstandorte Basel, Schaffhausen, Luzern, Altdorf sowie Güttingen am Bodensee hinzu.“

 

„Umfrage: Klare Mehrheit gegen die SVP-Abschottung. Die SVP-Abschottungsinitiative ist auf der Verliererstrasse.“

Meinungsumfrage der SonntagsZeitung und von «Le Matin Dimanche» (publiziert am 29. Dezember 2013)

 

  1. „Die Schweiz überragt mit diesem Wachstum andere Volkswirtschaften bei weitem, ein wichtiger Treiber ist die Zuwanderung.» (10vor10). Wahrheit: Die Freizügigkeit wurde erst 2007 voll eingeführt; bis 2007 galten Kontingente. Tatsache ist, dass die Zunahme des Pro-Kopf-Einkommens von 4500 Euro praktisch ausschliesslich zwischen 2002 und 2007 stattgefunden hat. Von 2007-2012, also mit der vollen Freizügigkeit, hat das Pro-Kopf-Einkommen hingegen stagniert.
  2. „Einwanderungsstopp trifft die AHV“ „Würde am 9. Februar der Einwanderungsinitiative der SVP zugestimmt, verlören die Sozialwerke AHV und IV viel Geld.“ (Handelszeitung, Blick). Wahrheit: den Zuwanderern stehen Rentenansprüche zu, welche die AHV in 30 bis 40 Jahren belasten werden (Bericht des Bundesrats).
  3. „Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer sowie Ausländerinnen und Ausländer verlassen die Schweiz.“ (Bundesamt für Statistik). Wahrheit: Zwischen Mai 2013 und April 2014 wanderten insgesamt 151’852 Personen in die Schweiz ein. Mehr als 350’000 EU-Bürger sind seit Einführung der Personenfreizügigkeit 2002 netto in die Schweiz eingewandert.
  4. „Fachkräfte sind überlebenswichtig“ „…mangelt es teilweise an Fachkräften.“ (Thurgauer Regierungsrat Kaspar Schläpfer in einem Inserat der Economiesuisse). Wahrheit (in der Infobroschüre des gleichen Regierungsrates, am gleichen Tag im Briefkasten): „Bei den Personen in Fachfunktionen verschärfte sich die Arbeitsmarktlage deutlich.“
  5. „Bei einem Ja zur SVP-Initiative (…) kann die Schweiz Verhandlungen mit der EU über die institutionellen Fragen vergessen.“, sagte Richard Jones, der EU-Botschafter in Bern, vor der Abstimmung (das hätten wir gerne geglaubt!). Wahrheit: am 22.5. teilt das EDA – leider – mit: „Start der Verhandlungen zu den institutionellen Fragen.“

 

Hermann Lei, Frauenfeld

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