14.9. Westliche Demokratie – ein Auslaufmodell?

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Gedanken zum Bettag

Westliche Demokratie – ein Auslaufmodell?

Politische Korrektheit ist jakobinischer Terror in moderner Form. Beiden liegen totalitäre Konzepte, die Überzeugung, das einzig Gute zu tun, zugrunde. Das westliche Christentum, ganz besonders in der Schweiz, hat hingegen ein föderalistisches und volksnahes System hervorgebracht, dem es Sorge zu tragen gilt.

Demokratie heisst Herrschaft des Volkes

Demokratie lebt von der Freiheit des Wortes. Dass man Dinge sagen kann, die andere – vielleicht die Mehrheit – nicht hören wollen. Gerade diese Meinungsfreiheit ist heute bedroht. Zur Beschränkung der Macht der Regierungen hat schon die römische Republik die Unterscheidung zwischen privat und öffentlich und das Recht ganz allgemein entwickelt. Das Recht auf Privatheit und Privateigentum ist elementar für eine freiheitliche Demokratie, denn nur so bleibt der Bürger unabhängig. In der europäisch-atlantischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts entwickelte sich schliesslich die Lehre von den drei Gewalten im Sinne der Machtteilung: Exekutive, Legislative und Judikative sollen voneinander getrennt sein.

 

Jakobinischer Terror und politische Korrektheit

Die weitere Entwicklung der Aufklärung, welche in der Französischen Revolution kulminierte, war aber nicht nur ein Segen. Der exzessive Glaube an die Vernunft und die Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen, die Überzeugung, das Richtige und Gute zu verkörpern, den Plan der Geschichte zu erfüllen, führte zu einem neuartigen Totalitarismus. Wer den Glauben an die neue Zeit nicht teilte, an Traditionen festhielt und sich der Herrschaft der „Tugendhaften“ (Robespierre) widersetzte wurde durch die Jakobiner guillotiniert. Der Marxismus-Leninismus des 19. und 20. Jahrhunderts ist in dieser Hinsicht die schreckliche Vollendung der Französischen Revolution. Und auch die heute grassierende politische Korrektheit, welche Wörter verbannt, Ideen unterdrückt, missliebige Professoren von den Universitäten entfernt und opponierende Existenzen zu vernichten trachtet ist eine Nachfahrin in direkter Linie des jakobinischen Terrors.

 

Das Christentum als Antwort

Entwicklungen im westlichen Christentum stehen dagegen für ein demokratisches und freiheitliches Europa. Augustinus hat in seinem Buch „Vom Gottesstaat“ die Unterscheidung zwischen dem „Reich dieser Welt“ und dem „Reich Gottes“ herausgearbeitet. Der Mensch ist nicht vollkommen, er verfügt nicht über das Gute, aber er ist zur Freiheit berufen. Der Himmel kann nicht auf die Erde geholt werden, sonst wird sie zur Hölle. Christus ist die Wahrheit und das Wahre und Gültige kann nicht durch eine menschliche Ideologie, einen vollkommenen Staat verkörpert werden. Die Sonderentwicklung des westlichen Europas besteht darin, dass es einen Kampf zwischen Kaiser und Papst gegeben hat, welcher in der Reformation eine Zuspitzung erfahren hat. Es ist die bei Luther sichtbar werdende Gewissheit, dass der Christ ein Bürger zweier Welten ist, keiner weltlichen Macht ausschliesslich ausgeliefert: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“.

 

Fremde Kultur und Demokratie?

Im Einflussbereich der östlichen Christenheit kennen wir diese Trennung von Kirche und Staat kaum, die Kirche ist dem Staat untergeordnet (Cäsaropapismus). Der Islam kennt diese Trennung schon gar nicht. Ist die westeuropäisch-atlantische Demokratie unter diesen Umständen auf fremde Kulturen übertragbar? Zweifel sind angebracht, umso mehr, als auch im Kernland der Demokratie, in Europa selbst, diese Staatsform mehr und mehr ausgehebelt wird:

Das „Projekt Europa“ leidet unter dem Furor eines wohl jakobinisch zu nennenden Egalitarismus. Europa, welches seine Stärke in der Vielheit, in lokalen Differenzierungen, in der Begrenzung der Macht hatte, zerstört heute die Grundlagen seiner Existenz, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell. Die Befugnisse demokratisch gewählter nationaler Parlamente sind in den wesentlichen Fragen ausgemerzt. Unterstützt wird die enorme Gewalt einer ministeriellen und bürokratischen „Euro-Elite“ in Brüssel von einer unkritischen linksliberalen bis sozialdemokratischen Medienwelt, welche traditionelle und konservative, auch alt-liberal-bürgerliche Haltungen und Werte nicht nur ausblendet, sondern geradezu als unanständig diffamiert.

 

Sonderexistenz Schweiz

Unser Land wurde glücklicherweise in der französischen Revolution im Unterschied zu den zentralistisch-repräsentativ regierten grossen Mächten nur teilweise umgekrempelt. Alte kantonale und lokale Freiheiten blieben erhalten ebenso eine unmittelbare und lebendige sogenannt halb-direkte Demokratie. Die antitotalitäre Tradition des westlichen Christentums blieb – zumindest im nationalliberalen Milieu – ungeschleift. Tragen wir daher unserem föderalistischen und volksnahen System christlicher Prägung Sorge. Widerstehen wir, bei aller Gewandtheit im Umgang mit den mächtigen Nachbarn, dem sogenannten „alternativlosen“ Zeitgeist. Lassen wir uns durch internationale Verträge nicht zu sehr einschränken. Haben wir den Mut zum Anderssein.

 

Hermann Lei, Frauenfeld

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