Die Schweiz: ein Zensurstaat?
Die Schweiz wurde wegen ihres Antrirassimusartikels vom Europäischen Gerichtshof verurteilt und mit einem totalitären und diktatorischen Regime verglichen. Zu Recht: Eine demokratische Gesellschaft soll missliebige Ansichten nicht verbieten, seinen Bürgern die Geschichtsschreibung nicht dekretieren. Die Antirassismus-Strafnorm, die viel zu schnell bemüht wird und die wegen ihrer unmöglichen Formulierung immer wieder Schwierigkeiten aufwirft, ist künftig ausgesprochen zurückhaltend auszulegen. Und wir sollten keine fremden Richter benötigen, um uns sagen zu lassen, dass politische Zensur hierzulande nichts zu suchen hat.
Völkermord oder nicht?
Der Völkermord an den christlichen Armeniern im ersten Weltkrieg war einer der ersten systematischen Genozide des 20. Jahrhunderts. Die offizielle türkische Geschichtsschreibung sieht das allerdings anders, so auch der türkische Politiker Dogu Perincek, der 2005 in Lausanne den Völkermord als „internationale Lüge“ bezeichnet hatte. Er wurde deswegen wegen Rassendiskriminierung verurteilt. Perincek beharrte auf seiner Meinung und zog seinen Fall an den Europäischen Gerichtshof. Der EGMR hiess seine Beschwerde gut und rügte die Schweiz, sie habe die Meinungsäusserungsfreiheit verletzt. Und fand deutliche Worte: Sich öffentlich zu kontroversen und heiklen Fragen zu äussern, sei einer der fundamentalen Aspekte des Rechts auf Meinungsäusserungsfreiheit, die eine tolerante und pluralistische Gesellschaft von einem totalitären oder diktatorischen Regime unterscheide
Die Schweiz wird zweimal verurteilt
In der Regel fügt sich der Bund immer, wenn er vom EGMR verurteilt wird. So akzeptierte er unverständlicherweise, dass der kriminelle Algerier Boultif nicht ausgewiesen werden darf. Oder er wehrte sich nicht für die Genfer Polizisten, welchen der Gerichtshof ohne stichhaltige Beweise vorwarf, sie hätten einen Schwarzafrikaner bei einer Drogenkontrolle halbtot geschlagen – immer wenn der EGMR Ausländern mehr Rechte einräumt, akzeptiert die offizielle Schweiz dies. Im Falle des Antirassismusartikels, welcher ja meist gegen Schweizer angewandt wird, ersuchte der Bund die Grosse Kammer des EGMR dagegen um eine Neubeurteilung des Falles, beharrte also darauf, die Meinungsfreiheit zu Lasten von uns einschränken zu wollen. Allerdings vergeblich: Die Grosse Kammer verurteilte die Schweiz erneut wegen Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit. Die Schweizer Gerichte hätten den türkischen Politiker «zensuriert, weil er eine Meinung äusserte, die der in der Schweiz vorherrschenden widerspricht.»
Das unfreie Wort
Es ist für die Schweiz eine peinliche Niederlage. Sie wird wegen ihres Antrirassimusartikels mit einem totalitären und diktatorischen Regime verglichen. Aber es ist so: Abweichende Meinungen werden hierzulande allzu oft kriminalisiert. Wendige Politanwälte und staatlich finanzierte Gutmenschengruppen zerren jeden Politiker vor Gericht, welcher ihnen nicht passt und missbrauchen die Justiz zu politischen Zwecken: Blocher, Brunner, Amstutz, Heer, Schlüer, Thiel, Schmitt, Tschäppät und sogar die Sekretäre der SVP wurden mit Strafverfahren bedroht oder in sie verwickelt. Langjährige, lähmende Verfahren und ein Klima der Angst und des Meinungsterrors sind die Folgen
Keine fremden Richter
Dieser Irrweg muss beendet werden, eine demokratische Gesellschaft muss Auseinandersetzungen zulassen. Die Antirassismus-Strafnorm, die viel zu schnell bemüht wird und die wegen ihrer unmöglichen Formulierung immer wieder Schwierigkeiten aufwirft, ist künftig ausgesprochen zurückhaltend auszulegen. Und: wir sollten keine fremden Richter benötigen, um uns sagen zu lassen, dass politische Zensur in unserem Lande nichts zu suchen hat.
Hermann Lei, Kantonsrat SVP, Frauenfeld